Sonntag, 16. Oktober 2011

Versprechen

Versprechen


Versprich nicht mir eine Niere zu spenden, wenn ich sie brauche
Versprich nicht eine für mich bestimmte Kugel abzufangen
Verspricht nicht für mich zu sterben
Oder zu sterben, wenn ich sterbe
Versprich nicht tausenden Dinge, die du wahrscheinlich nie tun wirst müssen
Versprich mir auch nicht die Ewigkeit, den Himmel oder gar die Sterne
Gibt mir einfach diesen Augenblick
Sei da
Halt mich
Und die Ewigkeit kümmert sich um sich selbst


Der Ort oder Der Kustos meiner Seele

Es ist nicht schlimm, wenn man sich ab und an in einen Traum fallen lässt, eine Welt lebt, die außerhalb des eigenen Kopfes gar nicht existiert. Es fühlt sich an wie aus der Kälte der Welt in ein warmes Zimmer zu kommen, umfangen von liebevollen Armen, sicher eingepackt unter einer weichen Decke. Wer würde sich nicht eine solche Zuflucht wünschen? Zu leben in jenem Moment, in jener Nacht, als der Wind durch die Wipfel der Bäume strich und Eulen irgendwo, weit oben in der Dunkelheit, ihre Klagelaute woben. Das ist mein sicherer Ort. Ein namenloser Wald, von Horizont zu Horizont, ein Tal, in dem die Sonne niemals aufsteigt, in der Nähe einer Stadt die keinen Namen kennt. Dorthin gehe ich zurück wenn es zu viel wird, wenn selbst der Atem in meinen Lungen schmerzt und Hoffnung mehr eine weiterer Schürhaken in meinem Rücken geworden ist. Immer wieder taucht dieser düstere Ort in meinen Gedanken auf. Aber auch in meinen Geschichte. Doch nicht alles dort ist gut und schön. Im Herzen dieser Sphäre öffnet sich ein Spalt tief hinunter in eine Höhle. Die Höhle in diesem fremden Land, das bin ich. Ganz tief in mir drinnen. Ein Mysterium, das sich selber nicht versteht. Voller verwirrender Formen und Figuren. Zusammengerollt, gekrümmt, gebrochen, liegen da die Überreste vergangener Leben, von ungenützten Möglichkeiten und verpassten Ausfahrten. Willenlos und doch willig, kehre ich nach meinen Streifzügen hierher zurück, weil nur an diesem Ort die Transformation möglich ist. Das Abstreifen der alten Haut und die Entstehung der Neuen. Dieser Ort ist so sehr Traum wie auch Realität. Er verfolgt mich. Jeden Tag, jede Minute. Denn an den Wänden wird fein säuberlich Inventur gemacht. Jedes Versagen. Jede Beleidigung. Jedes laute Wort, unbedacht im Zorn gesagt und empfangen. Sie sind alle dort oben, aufgemalt von den Fingern meiner Seele. Hier wird Buch geführt und der Kustos dieser Welt ist kein gütiger Mann. Streng, mit glühenden Augen und schwarzem, wohlfrisiertem Haar, einem ältlichen Schulmeister gleich, sieht er prüfend auf mich herab und geht die endlose Liste meiner Verfehlungen durch. Von den Anfängen meines Lebens und den kindlichen Scherzen, grausam wie nur ein Kind es sein kann, bis zu den Momenten, die ich in den Träumen verbrachte statt mich der Realität zu stellen. Er kennt jede Minute. Er kennt die Reue, die in meinem Herzen wohnt.

Ich bin aus einem Traum erwacht und so sehr ich es mir auch wünsche, in jenen Traum zurück kann ich nicht mehr. Das wird wohl jeder wissen, der selbst schon erwacht ist. Zuckerwatte, Musik und Liebe, sie versinken alle langsam hinter Dir und der Traum bricht am Ufer dieser Welt. Nur Bruchstücke überdauern. Gefühle, Bilder, aufgenommen in der Dunkelheit. Nein, selbst wenn ich wieder einschliefe, diesen Traum würde ich wohl nie wieder zu fassen bekommen. Er ist weg. So wie der Mensch, der ich gestern noch war. Ein schöner Traum. Eingehüllt in eine Decke die zu Schnee wurde während ich schlief. Als Lawine trug er mich talwärts und selbst im freien Fall träumte mir, sanfte Hände trugen mich durch die Luft. Und ich erwachte inmitten der Trümmer meiner selbst. Kalt. Nackt. Frierend. Es war ein Traum so schön, dass ich ihn bereitwillig für die Realität hielt, meine Augen fest vor den Zeichen verschloss die mich zu warnen suchten. Und dort, in den Trümmern liegend, wusste ich, dass noch diese Nacht, der Kustos meiner Seele vor mir stehen würde.  

So schloss sich der Kreis, als ich zurückkehrte in den Wald, in dem so viele meiner Geschichten spielen. Zurück zu meiner Strafe. Doch trotz allem hoffe ich immer noch zu lernen. Einen Weg zu finden den Fehlern der Vergangenheit nicht mehr hilflos gegenüberzustehen. Ich kann nichts mehr tun wegen der Worte vergangener Tage. Was ich getan, ist getan. Es wird für immer an den Wänden der Höhle stehen und mich verfolgen. Aber ich kann versuchen nicht mehr auf denselben Straßen zu gehen. Den Sog, ganz knapp unter der Oberfläche, zu vermeiden.