Anthony war, wie im zweiten Teil der Serie beschrieben, der erste Charakter der quasi mit der initialen Ideen gleich mitgeliefert worden war. Bei Miranda verhielt das etwas anders. Mir wurde relativ schnell klar, etwa an dem Punkt als „Die Katze“ aufhörte eine Charakterstudie zu sein, dass Anthony alleine nicht vom Fleck kommen würde. In vielen meiner Geschichten gibt es starke weibliche Charaktere, die entweder die Hauptcharaktere sind oder zumindest im Zentrum der Geschichte stehen. Eine davon ist die Anhalterin in die Schwarz, die andere die Protagonistin von „Fremdes Land“ – und natürlich allen voran Lexia aus „Lexias Tagebuch“ und ihre Schwester, die Hauptperson meines anderen großen Werkes „Die Brennende Stadt“. Es war für mich nur natürlich eine fähige Hauptdarstellerin in die Geschichte einzubringen. Ich glaube nicht, dass Miranda nach einer bestimmten Person modelliert ist. Vielmehr stellt sie die Schnittmenge vieler Charaktere dar, die ich selbst gerne in Büchern und Filmen verfolge. Wenn ich Anthony in den Überarbeitungsschritten etwas weicher gemacht habe, dann wurde Miranda im Laufe der Zeit härter. Sie ist, meiner Meinung nach, eine Person, die genau weiß was sie will und auch bereit ist, für ihre Ziele, wenn es denn sein muss, zu sterben. Diese Eigenschaft ist auch bitter notwendig um Anthony, von Natur aus eher passiv, aufzurütteln. Bezeichnet für ihre Fähigkeit Anthony zu bewegen ist in meinen Augen die Szene im Haus am Fluss, als er aufgeben will und ihr die Option auszusteigen, einfach alles hinter sich zu lassen und die Katze zu vergessen, schmackhaft machen will. Miranda reagiert sofort mit sehr bestimmter Härte und macht Anthony klar, dass dies für sie nicht in Frage kommt. Trotz ihrer Verletzungen, Schmerzen und Angst hält sie ihm den Spiegel vors Gesicht und zeigt ihm was für ein schwaches, ja beinahe bemitleidenswertes Persönchen er ist – und damit baut sie ihm eine goldene Brücke seine eigenen Ängste zu überwinden, mehr zu sein als er bisher war. Ich denke wer die Geschichte aufmerksam liest wird schnell feststellen, dass Miranda die eigentliche Heldin ist. Anthony steht vielleicht mehr im Vordergrund aber ohne Miranda würde er auf der letzten Seite des Buches wohl immer noch auf dem Parkplatz stehen, seine Zigaretten rauchen und sich fragen, wo sein Leben wohl geblieben ist.
Wenn ich gerade über die Szene im Haus am Fluss rede, dann würde ich gerne ein paar Worte über jene Momente verlieren, die Anthony und Miranda am Wasser verbringen. Dies ist ein wahrhaft magischer Moment. Als die Sonne untergeht bricht plötzlich helles Licht auf dem Wasser hervor und strahlende Funken tanzen über die gleißenden Wogen. Eine Farbenpracht, wie Miranda sie noch nicht gesehen hat und auf die Frage, was dies gewesen sei, antwortet Anthony, dass es seiner Meinung nach in jenem Wald Magie gäbe. Diese Szene ist von meinen eigenen Kindheitserinnerungen durchtränkt. Es gab magische Momente bei mir daheim, an einem Fluss. Natürlich hat das Wasser nie zu glühen begonnen aber wenn man am Abend dort sitzt, auf den Steinen, in der Ferne dem Wasserfall lauscht, dann kann man schon an so etwas wie Magie glauben. Wasser hat einen eigentümliche Geruch und je nachdem ob es ein See oder ein Fluss ist, riecht es ein wenig anders. Dieser Duft vermischt sich mit dem von Bäumen und frischer Erde. Alles zusammen wird zu einer Komposition, die sich in der Erinnerung festsetzt. Diese besondere Stimmung lässt einen das Gefühl erleben, man könnte die ganze Welt verstehen, als müsste man nur genau hinschauen und der Vorhang, der unsere Realität von der Wirklichkeit, von allen Antworten trennt, würde sichtbar werden. Und dann, in dieser einen Sekunde, kann man erahnen, wie sich Unsterblichkeit anfühlt. Vor allem wenn man nicht alleine ist. Mit ein oder zwei guten Freunden … was könnte wahrer Magie näher sein? Diese eine Szene am Fluss, das ist vielleicht der Moment in dem Anthony und ich uns am nächsten sind. Dies ist also meine persönliche Hommage an besondere Momente einer Kindheit die manchmal unendlich weit zurückzuliegen scheint.
Eine weitere solche Hommage findet sich im Kapitel „Nächtliche Klarheit“ als Anthony an einer Stelle den Fluss zu überqueren sucht, die direkt so aus meiner Kindheit stammt. Dies ist auch gleichzeitig eine Schlüsselstelle für Anthony in seiner Entwicklung und seinem Verhältnis zu Miranda.
Wenn der Autor eine Frau in die Geschichte bringt kommt schnell der Verdacht auf, man hätte sie nur als Romantic Interest für den Hauptcharakter geschrieben. An dieser Stelle möchte ich alle diesbezüglichen Gedanken entkräften. Miranda ist keine einfache, sich nach Liebe verzehrende Seele (außer vielleicht in jenem simplen Sinne, in dem wir alle Seelen sind, die sich nach Liebe sehnen), sie hat ein Ziel. Und als ich die erste Version dieser Geschichte niederschrieb hielt ich mich, was die Romantik betraf, bewusst zurück. Es schien die mutigere Entscheidung zu sein. Für den Charakter von Anthony machte es durchaus Sinn, eine gewisse Anziehung zu spüren, schließlich ist Miranda attraktiv und für den Verlorenen so etwas wie eine Erlöserin. Der Charakter entwickelte sich ganz organisch in diese Richtung – ich würde sagen, es fühlt sich „richtig“ an. Miranda hingegen – das ist eine ganz andere Geschichte. Ich weiß, dass viele Leser eine Romanze wollen. Daran ist auch nichts falsch. Ich halte die endgültige Lösung für gelungen und sehr organisch gewachsen. Geschichten in denen die Hauptcharaktere sich sofort verlieben, wie vom Blitz getroffen und in Kapitel 4 schon so miteinander umgehen, als kannten sie sich schon von Kinderbeinen an, halte ich persönlich für zu einfach gestrickt. Hoffentlich sind die Leser mit dem Verlauf der Gefühle zwischen Anthony und Miranda zufrieden. Feedback ist erwünscht!
Die Katze ist vielleicht die geheimnisvollste Hauptperson der Geschichte. Sie hat einige Schlüsselszenen füllt aber im Großen und Ganzen aber so etwas wie die Rolle des Heiligen Grals der Geschichte aus. Ein Objekt mit großer Kraft, für das Berge versetzt werden und Armeen marschieren, aber wenn man drei Personen fragt, was denn dieses Ding wirklich sei, seine Natur, bekommt man drei verschiedene Antworten, allesamt schwammig. Weshalb ist sie hier? Was vermag sie wirklich zu tun? Was geschähe, wenn Telar sie vollständig unter seine Kontrolle bekäme? Schon in Teil II erwähnte ich, dass die Katze eigentlich aus einer anderen Geschichte stammt. So ganz stimmt das eigentlich nicht. „Die Brennende Stadt“ und „Die Katze und das Projekt Omega“ spielen in gewisser Weise vor demselben Hintergrund. Diese größere Leinwand ist eine Art von Mythologie, die ich vor langer Zeit ersonnen habe (interessanterweise auf einem großen Berg aus Steinen und Sand, im Schatten verrostender Riesen – aber das ist definitiv eine Geschichte für einen anderen Abend). In diesem Zyklus sind die Katzen machvolle Symbole, Manifestationen einer höheren Ordnung (wobei Ordnung möglicherweise der falsche Begriff ist). Die Katzen sind es, welche die Geschichte von Lexias Schwester in Bewegung bringen. An jenem Ort, von dem sie kommen, sehen sie natürlich nicht wie Katzen aus, aber das sollte klar sein, denn auch Anthony erfährt, dass Telar bei der Erschaffung der Katze diesen Körper nur wählte, um das Wesen, welches er unter seine Kontrolle zwingen will, einzusperren. Wie sie wirklich aussehen? Einen kleinen Blick darauf darf der Leser im letzten Kapitel der Katze erhaschen. An dieser Stelle muss ich aber auch spätere Werke verweisen – das Geheimnis wird offenbart werden, aber zu geeigneter Stunde.
Von allen Charakteren ist Telar für mich der tragischste. Tragischer als Anthony. Sogar tragischer als Randolph, der am Ende nichts mehr hat. Es wäre leicht diesen weißhaarigen Intriganten zu hassen. Er macht den Hauptcharakteren das Leben schwer. Scheut nicht davor zurück töten und an andere zu versklaven, um seine Ziele zu erreichen. Und doch wirkt er verlorener als anderen Charaktere zusammen. Es beginnt schon in der Szene, als er Randolph und Bilank gegenübersteht und die beiden feststellen, dass bestimmte, alltägliche Dinge den seltsamen Mann verwirren. Er ist offensichtlich nicht von hier. Telar ist ein wahrhaft Fremder in dieser Welt und er tut, was er für richtig hält, um ein, aus seiner Sicht, altes Unrecht zu sühnen. Manchmal möchte ich fast glauben, Telar ist das wahre Opfer dieser Geschichte, dazu verdammt die Rolle des Bösewichtes zu spielen, weil keine andere mehr für ihn zur Verfügung stand. Aber ist er wirklich das, was er zu sein scheint? Am Ende der Geschichte wir der Leser mehr wissen aber vielleicht auch mit unzähligen Fragen zurückbleiben, die erst noch geklärt werden müssen.
Was waren die Inspirationen für Telar? Zum einen ist er die verzerrte Form des archetypischen Weisen Mentors. In einer anderen Welt wäre Telar wohl der Bärtige mit knorrigen Stock zu dem die Helden pilgern um ihre Quest zu erhalten. Wieso hat er lange, weiße Haare und durchaus androgyne Züge? Ich denke in diesem Punkt habe ich mich von östlichen Geschichten inspirieren lassen. Eine gute Freundin hat mir mal lachend gesagt „Telar erinnert mich an diese Bishōnen“ – wahrscheinlich lag sie da gar nicht mal so falsch – auch wenn die „Schönheit“ hier ein verzerrtes, kaltes Spiegelbild ist. Von seiner Symbolik her weht der Wind freilich aus einer ganz anderen Richtung. Ich persönlich mag das Tarot sehr, bin davon fasziniert. Vor allem die Bilder des Universal Waite haben es mir angetan. Wenn ich an Telar denke, dann fallen mir dazu eine Reihe von Motiven ein. Zum einen der Narr. Er ist das Chaos. Der Urzustand. Der Narr hat mit seiner Zahl 0 eigentlich keinen festen Platz, er ist sozusagen der Joker. Aus Chaos wird Neues geboren. Er bricht die starre Ordnung auf und bringt Energie in ein stagnierendes System. Telar will, im wahrsten Sinne des Wortes, die Welt verändern, ungeachtet der Folgen. Die zweite Karte, die ich immer mit Telar verbinde, ist „Der Magier“. Eigentlich offensichtlich. Telar kann Dinge, zu denen ein normaler Mensch nicht fähig ist. In manchen Szene hat man das Gefühl, er könnte, wenn er nur wollte, die Erde aus den Angeln heben. Dies ist jedoch gepaart mit einer gewissen Überheblichkeit, eine Art Dinge geheimnisvoll zu formulieren, die allen in seiner Umgebung klar machen, dass er über ihnen steht. Gleichzeitig ist er auch mit der Katze verbunden, wie er auf seine mysteriöse Art Randolph am Ende von „Wer schlafende Hunde weckt“ wissen lässt. Doch mit dem Magier kommt auch die Gefahr des destruktiven Machtmissbrauches. Die letzte Karte ist „Der Eremit“. Er steht wohl auf einem Berg, unter ihm Eis. Auch Telar begegnen wir zuerst in Zusammenhang mit einem Berg, wenn auch im Inneren und nicht auf der Spitze. Er trägt zu manchen Gelegenheiten einen Stab mit dem er phantastische Dinge zu tun im Stande ist. Und doch ist er einsam und zurückgezogen. Jede Szene mit ihm ist durchdrungen von dem Gefühl, dass dieser Mann eine unendliche Zeit auf diesen Augenblick gewartet hat. In gewisser Weise will Telar die Welt erleuchten, ihr seine Seite der Geschichte offenbaren. Zurecht sehe ich ihn vor meinem geistigen Auge mit einer Lampe in der Hand am ausgestreckten Arm.
Ja, auf gewisse Weise mag ich Telar. Sicher, er tut Dinge, die man eigentlich nicht gut heißen kann und doch – er strahlt dabei eine Autorität aus bei der man sich fragen muss, ob dieser Mann nicht etwas weiß, was die ganze Geschichte in einem völlig anderen Licht erscheinen ließe – selbst Anthony ist sich am Ende nicht sicher, was er wirklich von Telar halten soll.
Ich denke wir befinden uns nun an einem guten Punkt um Teil III dieser Reihe „Hinter den Kulissen“ abzuschließen. Zu den Hauptcharakteren habe ich jetzt ja schon einiges gesagt – auch die Entstehung des Romans wurde beleuchtet. Natürlich gibt es noch unendlich viele Worte zu verlieren – wir haben gerade erst an der Oberfläche gekratzt. Aber es ist auch eine Gratwanderung zwischen interessanten Informationen und dem Risiko zu viel der Geschichte zu verraten. Hoffentlich ist mir dieser Balanceakt bisher gelungen. Wenn Interesse besteht schreibe ich gerne einen vierten Teil der Serien! Wie immer: Feedback ist ausdrücklich erwünscht J
Wie kann man den Roman erwerben?
Ich bin jetzt ganz gespannt auf die Szene am Fluss.
AntwortenLöschenIch finde auch, Flüsse, Meer etc hat für mich was ganz besonderes, Momente der Ruhe...ich mag besonders die Geräusche des Wassers.
Stimmt - geht mir genauso was Wasser betrifft! Bin schon sehr gespannt, was Du von dem Gesamtwerk hältst :)
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