Samstag, 2. April 2011

Casting Shows oder Schatz, die Römer kommen!

Ich habe ein kleines Problem mit Castingshows und damit meine ich nicht nur die wirklich üble Qualität samt Fließbandcharme. Nein, mein Problem, sitzt viel tiefer und fängt eigentlich schon bei der Idee an sich an. Man nehme eine Reihe leidlich erfolgreicher Personen aus einer bestimmten Branche, welche ist mittlerweile egal, Deutschland Sucht den Super Metzger (DSSM) kommt sicher bald. Dazu ein langweiliges Bühnenbild, ein paar fetzige Slogans von einem arbeitslosen Grußkartenschreiber sowie ein Name der sich ohne dabei Obszönitäten zu schaffen zu einem aussprechbaren Akronym verarbeiten lässt und fertig ist die nächste Castingshow. Alles was man jetzt noch braucht sind ein paar Leute die mit dem Traum des Tellerwäschers der unbedingt zum Millionär werden wollte, groß wurden und die ganze Sache könnte ein Erfolg werden. Wo ist da das Problem? Bei den Juroren? Sicher nicht, mit irgendwas müssen die ja Geld verdienen. Beim billig Charme des ganzen? Sicher auch nicht, dass an allen Ecken und Enden gespart werden muss ist nichts Neues. Das Problem fängt bei den Kandidaten an.
Nehmen wir mal alles weg, die komischen Frisuren, das übertriebene Gehabe, die Geltungssucht, auch die teils eklatanten Bildungslücken einer Kandidaten  und Komplexe auf allen Seiten. Die Bosse der Sendungen wollen, dass wir uns auf diese Dinge konzentrieren, mit vernebeltem Blick uns vor Lachen über diese Gestalten winden, aber könnten wir für einen Augenblick mal die Teile unseres Gehirns nutzen die uns wirklich zu Menschen machen und versuchen hinter den Zaubertrick aus Schall und Rauch zu sehen? Es wäre ein Anblick der uns in Schrecken über uns selbst versetzen würde, über das wozu wir geworden sind.
Wir haben es mit einer Generation von Jugendlichen zu tun die teilweise in dem Glauben aufgewachsen ist, dass das Geld wirklich auf der Straße liegt, dass man sich nicht einmal mehr bücken muss weil irgendeiner es einem reicht wie eine Einladung zu diesen blöden Shows. Sie kommen aus Familien denen es so schlecht geht wie es den Menschen in Deutschland schon seit 50 Jahren nicht mehr gegangen ist, lebend in ihren Illusionen die von Funk und  Fernsehen geschaffen wurde um sie vom tristen Alltag ihrer Eltern abzulenken. Jede größere soziale Auffangstruktur fehlt ihnen, zwar erhalten sie etwas Geld vom Staat aber das was sie bräuchten – ein funktionales Gefüge in das sie sich einpassen könnte wird leider mit Hartz-IV nicht mitgeliefert. Niemand hat ihnen gesagt wie die Welt dort draußen wirklich aussieht, niemand hat ihnen gesagt wie das Leben vielleicht funktionieren kann. Keine Riten, keine Stämme, nichts, nur Asphaltwüsten und Prediger mit PR Managern im Bett. Natürlich haben sie ihre Idole de ihnen ins Ohr schreien, dass das Leben scheiße ist aber wenn sie genauer hinblicken dann sehen sie, dass diese „Vorbilder“ nur so im Geld schwimmen. Sie wollen so sein wie sie, möglichst exzentrisch, auffallend und laut, das scheint der Weg in ein goldenes Paradies zu sein. Aber wie jedes Paradies wurde auch dieses dazu geschaffen von den wahren Tatsachen abzulenken.
Genau diese Situation nutzen die Castingshows aus, sie bieten einen scheinbaren Ausweg, eine Möglichkeit schnell wegzukommen, irgendwohin, überall hin nur nicht hier. Sie spielen mit den Träumen, Wünschen und Hoffnungen der Verzweifelten, der Alleinegelassenen, der Zurückgelassenen. Im harten Licht der Kamera bekommen sie 5 Minuten Ruhm, für diese kurze Zeit stehen sie im Mittelpunkt, spüren sie wie es wäre wenn der Traum wirklich würde. Und dann ist es vorbei. Das harte Auge der Kamera bricht, die Scheinwerfer gehen aus und sie sind wieder alleine in ihrer kleinen Welt aus der es keinen Ausweg gibt. Alleine. Wieder. Immer. Wer könnte es ihnen verdenken wenn sie daran schlussendlich zerbrechen. Aber das findet natürlich nicht mehr vor der Kamera statt. Aus Pietät? Wohl kaum. Man könnte es eher schlecht verkaufen. Und darum geht es.
Das ist das eine, sie werden die erste 16 Jahre ihres Leben mit Träumen aus allen Ecken und Endend der Welt gemästet wie Gänse, hängend auf der Couch, das Kabel und die Satellitenschüssel der Schlauch in den Magen hinunter. So tropft es Stunde und Stunde bis das böse Werk vollendet. Man hat doch die letzten 20 Jahre systematisch dafür gesorgt, dass das Fernsehen schnellen Schrittes die Bücher ersetzen konnte, ohne wenn und aber. Bücher vermitteln auch Träume aber auch eine andere Weise, auf eine Weise die mit mehr Anstrengung verbunden ist. Wer als Kind ein Buch fertig gelesen zur Seite legte hatte das Gefühl etwas erreicht zu haben. Welches Kind kann das nach einem Film behaupten?
Jetzt bin ich also an dem Punkt – böses Fernsehen, böse Produzenten, böse Politiker. Nein, sage ich, nein, nein und nochmal nein. Meine Welt ist nicht nur schwarz und weiß. Die gibt es auch, irgendwo. In meiner Welt gibt es viele Grautöne, man muss sich selber eine Meinung bilden und vieles ist nicht so wie es scheint. Aber man kann an einem Seil einen Verunglückten ebenso gut aus einem Berghang retten wie jemanden damit erhängen. Grau. Alles.
Warum werden diese Träume genährt, gepflegt und dann gerupft wie eines dieser armen Hühner in jenen teuflischen Fabriken (ja, wer den Menschen kennenlernen will in all seiner blutigen Grausamkeit, Ekelhaftigkeit, ohne die Maske aus Güte und Freundlichkeit, der besuche eine solche Fabrik), warum nur? Weil man es sehen will. Und frau auch. Vielleicht sind wir nicht mehr die geifernden Zuschauer in den Arenen die Gladiatorenkämpfe bestaunen, oder der mittelalterliche Mob am Pranger der den armen Narren dort bespuckt – aber nahe genug dran um  mir Angst zu machen vor dem was in uns steckt.
Und so sitzen Leute, Menschen die ich gut kennen, für freundlich und hilfsbereit halte und in der Regel schätze, Woche für Woche vor den Bildschirmen und beschweren sich darüber, dass  die Castingshows mit jeder Runde langweilig werden weil die „Freaks“ dann schon draußen sind. Was sagt uns das über die menschliche Seele? Wir machen uns über die armen Seelen die im Leben noch nie eine Chance hatten und sich an Strohhalme klammern um ein besseres Blatt Karten zu erhaschen als ihnen das Schicksal gegeben hat lustig. Trampeln noch auf ihren Hoffnungen und Wünschen herum. Schlimmer, dieses ganze Spektakel wird doch ,wenn wir ehrlich sind, nur zu diesem einen Zweck veranstaltet, damit wir uns in unseren kleinen, bedeutungslosen, armen Bildungswüsten nicht gar so schlecht vorkommen, wir zerren jeden hervor den wir finden können den das Schicksal noch härter getreten hat als uns selbst und wir suhlen uns im Abwärtsvergleich, Abend für Abend.
Manchmal möchte ich ja da hin gehen und die alle anschreien: Habt ihr denn keinen Anstand? Keine Moral? Keine Menschlichkeit? Aber zu was für einem Heuchler würde mich das mache? Lebe ich doch im Kleinen genauso nach diesem Prinzip. Immer mit dem Blick am Horizont ob ich nicht jemanden sehe der weniger hat, dem es schlechter geht, um sich selbst aufzuwerten.
Und so werden alle Fragen zu reiner Rhetorik.

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