Momentan ist es hier ja ein bisschen ruhig. Liegt nicht daran, dass ich mein Interesse am Schreiben verloren hätte, ganz im Gegenteil sogar: Dieser Tage bin ich an mehreren ernsthaften Projekten dran, die hoffentlich in Veröffentlichungen gipfeln werden, daher die Ruhe (der Sturm kommt noch, wenn alles gut geht). Dennoch fühle ich mich heute inspiriert genug was für den Blog zu schreiben und zwar ein Motten-Requiem. Wie ich darauf gekommen bin? Zum einen durch ein Gespräch mit einer guten Bekannten, wie meistens eigentlich. Zum anderen aber auch, weil ich eigentlich alle Tiere mag. Nun, nicht jedes aus der Nähe, wäre auch verrückt und lebensgefährlich aber im Grunde habe ich noch kein Tier entdeckt für das ich nicht eine gewisse Art von Mitgefühl empfunden hätte. Selbst für Zecken. Wie gesagt – nicht alle aus der Nähe ;)
Hier ist es also, das Requiem für eine Motte:
Ich habe es kaum gekannt, das kleine Tier mit den grau-braun gemusterten Flügeln, die aussehen als wären sie mit farbigem Pulver begossen worden. Schön sind sie, diese Flügel, irgendwie. Jeweils ein Streifen und ein Kreis, so als hätte ein Künstler sie entworfen und nicht pure natürliche Selektion. Jeden Abend, wenn ich am Fernseher saß, kam es vorbeigeflogen, warf große, bedrohliche Schatten an die Wand. Bei einem Menschen hätte man wohl von einem grandiosen Auftritt gesprochen. Meistens landete es dann auf dem hellen Schirm und genoss vielleicht die Strahlung oder was auch immer diese neuen LCD-Fernseher von sich geben. Kann auch nur das Licht gewesen sein, das es angezogen hat. Ich sage „Es“ weil ich nicht mal weiß ob die Motte ein Männchen oder ein Weibchen war. So ein Gastgeber war ich.
Im Flug kam es mir immer so riesig vor, ein dunkles Knäuel aus flatternden Flügeln, die so schnell schlugen, dass alle Konturen verwischten. Jetzt schlagen sie nicht mehr. Nie wieder. Es ist tot, liegt auf meiner Fensterbank. Komisch, sich vorzustellen, dass dieses kleine Insekt, der Begleiter, an den ich mich gewöhnt hatte, nicht mehr aufsteigen wird, zum Licht, zum Fernseher, zur weißen Wand. Wo geht das Leben hin? Der kleine Körper hat einfach aufgehört damit, von gerade auf jetzt.
Ich frage mich ob Du, kleines Insekt, ein gutes Leben hattest. Immer genug zu Essen und trinken, Luft zum Atmen, vielleicht auch einen Partner. Ich bin ein Mensch und weiß daher wenig über das Gefühlsleben von Tierchen wie Dir, werde es auch nie verstehen können aber ich nehme mal an, wenn es weh tut dann tut es weh, egal ob man einen großen Neokortex hat wie ich oder nicht, ist wahrscheinlich dasselbe. Wenn ein Bedürfnis befriedigt wurde wird sich das auch für dich irgendwie gut angefühlt haben. Selbst ein wirklich einfaches Lebewesen wie das Pantoffeltierchen vermeidet unangenehme Zustände und strudelt auf angenehme zu. So ist das mit dem Leben.
Es ist wahr, Du und ich, wir haben unterschiedliche Wege auf dem Baum der Entwicklung genommen, Vorfahren von denen wir nie erfahren werden haben uns zu dem gemacht was wir sind – unterschiedlich. Und doch, irgendwie kommen wir vom selben Ort und wenn ich Dich jetzt so betrachte, leblos auf der Fensterbank, dann begreife ich auch, dass wir an denselben Ort gehen. Was machen da schon die paar Jahre in denen wir wirklich verschieden sind? Im Grund sind wir Brüder. Irgendwie.
Darum verabschiede ich mich jetzt von Dir und hoffe Dir hat im Leben nicht allzu viel weh getan und die angenehmen Zustände überwogen.
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