Samstag, 2. April 2011

Gelassenheit oder If it Be Your Will

Gestern Nacht war mit Sicherheit eine der schönsten Nächte überhaupt. Ich saß da und habe mit der mir liebsten Person auf der ganzen Welt geredet und ihr dabei die Musik näher gebracht die mir wichtig war, ist und wahrscheinlich in Zukunft auf bleiben wird. Mein Leben hat einen Soundtrack und ich halte ihn für wichtig um mich zu verstehen. Dabei kam ich unweigerlich auf den unvergleichlichen Leonard Cohen, den alten kanadischen Barden mit der Reibeisenstimme. So sicher wie nur irgendwas auf dieser Welt ging mir dann sein Klassiker „If it be your will“ durch den Sinn und ich habe begonnen, wie so oft, über den Text nachzudenken.
Für mich handelt der Text von einer Art von Gelassenheit die mich in stummes, andächtiges  Erstaunen versetzt. Ich muss zugeben, dass ich kein gelassener Mensch bin, etwas  womit ich immer wieder zu kämpfen habe. Es ist in meiner Natur zu handeln, aktiv zu werden, zu kämpfen um das was mir wichtig erscheint, ich will helfen, aufmuntern, Mut machen, die Dinge immer weiter voran bringen und sehr oft fehlt mir die Einsicht, wann der richtige Zeitpunkt wäre einfach innezuhalten, das Schwert und den Schild abzulegen, im Zentrum des Sturm der ruhende Pol zu werden und mir einfach zuzugeben, dass ich mal auf das Universum warten sollte. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, auf dich eben keinen Einfluss habe, dass der Lauf der Gezeiten manchmal einfach so ist wie er ist und wir Menschen uns mit Waffen gürten können so sehr wir wollen und doch nichts daran ändern werden.
Ich denke Leonard Cohen fasst diese Art von Gelassenheit auf wunderbare Weise zusammen. Er vermittelt das Gefühl eines Menschen der in sich ruht, seinen Pol gefunden hat und im Einklang mit diesem handelt. „Wenn es Dein Wille ist, dann werde ich schweigen, meine Stimme wird ruhen.“ Wem dieser Will nun gehört ist für mich nebensächlich, das kann ein Gott sein, das Universum selbst oder auch ein anderer Mensch. Mit geht es um das Gefühl und die Bilder die jene Worte in mir auslösen. Ich sehe eine Person vor mir die auf einem Hügel steht, in Dunkelheit. Am Himmel brennen die Sterne, eine wüste Landschaft umgibt sie, tote Bäume, verbrannte Erde, man sieht, dass eine gewaltige Schlacht getobt haben muss aber jetzt herrscht Stille, der Wind weht über den schwarzen Boden. Die Person war wohl ein Krieger, mit Schwert und Schild, die liegen aber jetzt auf dem Boden, seine Hände sind offen, er blickt nach oben und sagt: „Ich habe es verstanden. Ich werde nicht mehr drängen, nicht mehr kämpfen, ich habe eingesehen, dass das nichts mehr bringt, ich habe getan was in meiner Macht stand, was jetzt kommt steht in deiner. Wenn es dein Wille ist, dann werde ich schweigen, für immer wenn du das willst. Wenn du willst dann werde ich singen – für dich.“ Er schließt die Augen und wird eins mit der Welt, der ruhende Pol. Das hat nichts mit Schwäche zu tun, ich glaube eher, dass es sich dabei um den ultimativen Beweis von Stärke handelt, sich in diese Hände zu begeben, absolutes Vertrauen zu haben, dass sich diese andere Person richtig entscheiden wird weil jede getroffene Entscheidung die richtige ist, weil sie frei getroffen wurde.
Für mich gibt es hier eine große Überschneidung mit meiner Einstellung zur Freiheit, denn Freiheit hat immer zwei Seiten – meine Freiheit und deine Freiheit. Wer  immer nur kämpft und Dinge möglich machen will übersieht oft die dünne, halb-durchsichtige Linie hin zur Einschränkung der Freiheit des anderen. Es braucht schon sehr viel Mut mit dem Kämpfen mal aufzuhören und dafür das Herz zu öffnen, was denn der Wille des anderen ist. Das löst Ängste aus, denn in dem Moment wird die Welt für jene, die immer die Kontrolle haben wollen, äußerst chaotisch. Was tut man denn, wenn der Wille des anderen wirklich das ewige Schweigen ist? Ich denke wer wirklich dieses „If it be your will“ verinnerlicht haben, wird damit zurechtkommen, denn diese Person wird wirklich und wahrhaftig den Willen des anderen respektieren und mit jeder Entscheidung zufrieden sein weil jede Entscheidung die frei getroffen werden kann eine gute ist. Nur wer den Willen des anderen eben nicht respektiert, mit einer bestimmten Entscheidung nicht leben kann, muss immerzu in die Schlacht ziehen um seine Wünsche in die Welt zu tragen.
Das erinnert mich auch stark an gewisse östliche Philosophien, die großen Wert auf diese Art von Ruhe und Gelassenheit legen. Da steckt auch der Gedanke des Loslassens, des Gehenlassens, des Nicht-Anklammerns dahinter. Man muss die Dinge, die Menschen die man liebt, auch gehen lassen können, um deren Freiheit willen. Wenn sie wollen werden sie zurückkommen, wenn es deren Wille ist, dann wir der Krieger singen, über den verwüsteten Hügeln und das Schweigen findet ein Ende. Man muss dabei allerdings vorsichtig sein. Nur wer ehrlich gehen lassen kann wir diese Gelassenheit erlangen können – loszulassen schon mit dem Gedanken, dass der Vogel zurückkommen wird, ist eine leere, hohle Geste der jeder Zauber abgeht, nur eine weiter Form des Aufzwingens, der Manipulation.
George Lucas, der mit Star Wars einen modernen Mythos geschaffen hat, brachte diese Einstellung der heutigen Welt nahe und zwar mit der Philosophie des Jedi-Ordens. Die Grundmaxime ist das Loslassen der Dinge die man Liebt. Dabei geht es nicht darum nicht zu lieben. Es geht um das starre Festhalten das durchbrochen werden soll. Löse dich von all dem was du fürchtest zu verlieren. Die Furcht vor Verlust ist vielleicht die größte Furcht die der Mensch kennt weil es die erste ist – die Panik vor dem Verlust der Bezugsperson. Sie bringt uns dazu Besessenheit, Eifersucht, Neid und Besitzgier zu entwickeln. „If it be your will“ ist die knappe Zusammenfassung der Überwindung dieser Furcht und damit der Beginn einer Freiheit die vorher nicht einmal vorstellbar war. Freiheit für beide Seiten.
Im letzten Extrem, bis zum Ende gedacht, geht es auch um die letzte und größte Furcht des Menschen: Der Tod. Jeder Verlust  ist eine Art von Tod, etwas stirbt, ist weg, unwiederbringlich. Auch hier sollte der Lebensweg irgendwann zu dem Punkt führen wo man sagen kann: „Es ist gut so, ich kann loslassen, wenn es sein soll dann werde ich schweigen, für immer.“ Dann verliert der Tod seinen Schrecken weil man ihn annehmen kann als etwas was einfach passiert, „If it be your will“. Auch das ist östlich,  fern ab westlicher Alchemie und Magie deren Ziel es immer war die letzte Unvermeidlichkeit zu umgehen. Faust gegen den Buddha. Ich glaube der Buddha ging den weiseren Weg.
Und ich frage mich ob ich jemals diese Stufe erreichen werde. Habe ich die Kraft in mir mich dem Willen auszuliefern? Zu schweigen und zu sagen: „Jetzt bist du dran, ich habe meinen Teil getan, meine Worte gesagt. Ich werde deine Entscheidung und deinen Weg respektieren und welche Entscheidung auch immer du triffst, sie wird die richtige sein weil es deine ist.“ Wenn ich Leonard  Cohen lausche dann möchte es beinahe glaube. Ich kann spüren wie die Worte in mich sinken, mir Ruhe und Gelassenheit geben, manchmal hält dieses Gefühl sogar Tage an. Aber dann kommt die Welt mit ihren Stürmen, ihren Kriegen und all den Dingen die mir wichtig sind und ich spüre wie es mich in den Fingern juckt aktiv zu werden, zu handeln, das zu tun was ich für helfen und trösten halte. Vielleicht muss man für die letzte Überwindung der Angst etwas abseits der Welt stehen, so wie buddhistische Mönche in ihren Klöstern oder die Jediritter mit ihrer Macht. Hoffnung habe ich aber, dass ich es lernen werde, zumindest einen Teil davon.

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