Momentan geht es mir nicht so gut, das war einer der Tage an denen ich mich am liebsten schreiend am Boden gewälzt hätte. War den ganzen Tag nur am Rennen, nichts hat so funktioniert wie ich es wollte und ich fühlte mich die ganze Zeit einsam. Außerdem hat ein wichtiger Mensch aus Gründen die für mich völlig unverständlich sind den Kontakt abgebrochen und ich hängen da jetzt in der Luft ohne vor und zurück zu können. Habt ihr so in etwa ein Bild im Kopf? Extreme Verlassenheit.
Wie bin ich in diese Situation gekommen? Ganz kurz gesagt: Mein Herz war’s. Wenn ich auf meinen Verstand gehört hätte wäre ich diese wichtigen Person nie nahe gekommen, wir hätten die schönen, lustigen und albernen Momente nie gemeinsam erleben dürfen und am Ende wäre dann auch nicht der große Absturz gewesen, mein Leben hätte seine gewohnten Bahnen mit relativ ausgeglichenen Höhen und Tiefen genommen. Das wäre gewesen wenn ich auf meinen Verstand gehört hätte.
Aber die Wahrheit ist, dass, trotz des freien Falls, der Schmerzen und der verdammten Einsamkeit, ich dieselbe Entscheidung wieder treffen würde. Viele schöne Momente wären mir entgangen wenn ich nicht auf mein Herz gehört hätte. So gebe ich an diese Stelle ohne Scham zu, dass die meisten meiner Entscheidungen aus der Region kommen und schon oft musste ich darunter leiden aber immer war es vorübergehend mit bleibender Erkenntnis und neuen Perspektiven.
Niemals könnte ich mir ein vom Verstand gesteuertes Leben vorstellen. Meine Eltern, wahrscheinlich wie sehr viele von euern Eltern auch, hätten natürlich gerne ein mehr „rationales“ Kind gehabt, eines, dass die „besonnenen“ Entscheidungen trifft, das in geraden Linien durchs Leben geht. Aber so funktioniert das Herz nicht. Zuerst führt es uns in ungeahnte Höhen, auf Gipfel von denen wir die ganze Welt sehen können und direkt danach in Schluchten, dass man das Gefühl hat die Wände würden einem gleich zerquetschen. Das Herz kann dich ebenso gut zu einem Märchenschloss wie zum Geisterhaus bringen. Und wisst ihr was? Beide Orte sind es wert besucht zu werden weil man überall wo das Herz einen hinbringt etwas für die eigene Menschlichkeit lernen kann. Ich lerne gerade wie es ist jemanden so zu vermissen, dass man das Gefühl hat keine Luft mehr zu bekommen, wie es ist einen Abschied ohne wirklichen Abschied zu durchlaufen und ich werde auch lernen wie man aus diesem tiefen, schwarzen Loch wieder rauskommt, den Dreck von den Knien klopft und weiter macht. Weil man weitermachen muss, auch wenn der Verstand sagt, dass emotionale Eiszeit vielleicht die angemessene Reaktion wäre. Verstandsentscheidungen können solche Lektionen nie vermitteln, denn der will nur auf den asphaltierten Straßen der Sicherheit möglichst schnell das Ziel erreichen. Aber was soll ich am Ziel wenn ich dort mit leerem/n Händen/Kopf/Herz ankomme?
Und wenn der alte Kerl mit der Sense kommt dann will ich ihn anschreien können, dass ich noch nicht fertig bin, dass mein Herz verdammt nochmal ein paar Lektionen im Ärmel hat die noch zu lernen wären. So richtige emotional möchte ich da sein und auch wenn’s objektiv nichts bringt, beeindrucken werde ich ihn auf jeden Fall. Denn der Verstand würde der Sanduhr in der Hand des Gevatters nur zunicken und das Unvermeidliche annehmen. Oder vielleicht wäre der Verstand voll Reue, weil er nie nachgeschaut hat was das für ein mit Dornenranken überwachsener Weg in den Wald hinein ist. Nicht ich. Nicht mein Herz.
Auch bin ich der Meinung, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn mehr Menschen auf ihr Herz hören und danach leben würden. Sicher, es gibt auch dunkle Herzen, aber das aus anderen Gründen – viele davon geschaffen, manchen angeboren – aber das durchschnittliche Herz ist ein vorzüglicher Kompass durch diese Welt. Es lehrt uns Demut, Mitgefühl, Selbstironie. Wer auf sein Herz hört wird sich eingestehen, dass er nur ein Mensch ist, fehlbar, manchmal schwach, manchmal stark aber immer angewiesen auf andere. Ich persönlich habe da nie ein Problem mit gehabt das offen anzusprechen. Mitgefühl und Mitleid kommen aus dem Herzen. Und das hat absolut nichts mit Schwäche zu tun. Der Schwache hört auf den Verstand der ihm Ängste über seine Nachbarn einträufelt wie Gift, ihm sagt, dass sie ihm schaden wollen und er daher schneller sein sollte als sie. Das Herz würde die Nachbarn kennen wollen, mutig wie ein Löwe voranmarschieren und Unrecht nicht mit Unrecht vergelten.
Ich bin vielleicht naiv aber die Welt in der wir leben ist gar nicht so schlecht, mehr Menschen als wir glauben würden gerne auf ihre herzen hören wenn sie nicht diese verdammte Angst hätten, dass ihnen dann der nächste, vom Verstand gelenkte Roboter den Job, das Haus und die Frau wegschnappt. Und es ist wahr. Auf sein Herz zu hören wird viel zu selten belohnt. Ist das ein Grund damit aufzuhören? Nein sage ich. Irgendwo muss die Bewegung anfangen und viele sind es die bereit wären in einer von Herzen gesteuerten Welt zu leben. Man müsste das nur nach oben tragen, dort wo der Verstand noch angebetet wird wie ein rachsüchtiger Dämon der Angst vor dem man sich verneigen müsste um nicht in den Staub getreten zu werden.
Aber vielleicht bin ich ja auch zu naiv.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen