Samstag, 2. April 2011

Glück, Glückskinder oder Schicksal

Eine Bekanntschaft auf Twitter hat mich auf das Thema Glück, Glückskinder und Schicksal gebracht, nach einer kurzen Diskussion habe ich dann auch eingewilligt darüber nachzudenken was zu schreiben. Ist ja generell gar nicht so einfach dazu einen Eintrag zu schreiben weil es ein furchtbar geladenes Thema ist – wer an das Glück glaubt wird es mit Klauen und Zähnen verteidigen, wer es nicht tut  wird entweder einen wissenschaftlichen Vortrag halten oder einfach nur milde Lächeln und möglichst schnell das Weite suchen.
Was ist Glück eigentlich? Wie sieht jemand die Welt der oder die sich als Glückskind wähnt? Landläufig sprechen wir von Glück wenn jemand etwas Gutes wiederfährt, besonders dann, wenn man dieses Gute nicht auf den ersten Blick erwarten würde. Schreib ich eine positive Note ohne gelernt zu haben dann wird sicher einer meiner Kollegen mit neidischem Unterton anmerken, dass ich verdammtes Glück hatte. Wenn ich über eine Brücke gehe und sie stürzt hinter mir ein, dann werde ich wohl selbst erzählen, dass ich unwahrscheinliches Glück hatte. Im Zusammenhang damit steht auch der etwas sehr religiös angehauchte Begriff des Wunders. Es war ein Wunder, dass er den Unfall überlebt hat. Es ist ein Wunder, dass er trotz allem so ein positiver Mensch geworden ist. Alles in allem hören wir diese Begriffe häufig dann, wenn eben etwas Unwahrscheinliches eingetreten ist – und zwar, wie gesagt, im positiven Sinne. Umgekehrt ist das nie der Fall. Angenommen jemand der nie geraucht oder getrunken hat stirbt mit 25 an einem Bauchspeicheldrüsenkarzinom so wird niemand von einem Wunder oder gar Glück sprechen, obwohl diese spezielle Todesursache in diesem Fall statistisch wesentlich unwahrscheinlicher wäre als, sagen wir mal, einen Frontalzusammenstoß im Auto zu überleben, obwohl in dem Fall sicher irgendwo, irgendwer von einem Wunder sprechen würde. Vielleicht wäre der Begriff Pech angebracht, aber der wird weniger häufig verwendet als der des Glücks oder des Wunders.
Na gut, jetzt wissen wir mal wovon wir sprechen. Wer an das Glück als einen kontinuierlichen Zustand glaubt geht auf jeden Fall einen Schritt weiter, er behauptet, dass „Glück“ eine Sache wäre die einer Person innewohnen kann, so als wäre es eine Persönlichkeitseigenschaft oder gar ein bisher unentdecktes Organ. Ganze Wirtschaftzweige leben von diesem Glauben, von dem Wunsch das Glück an sich zu binden. Ich kann mich noch erinnern wie ich klein war kamen manchmal recht obskure Kataloge, unter anderem einmal einer in dem eine „Wunschmühle“ angepriesen wurde – man legt einen Zettel mit einem Wunsch rein, dreht am Rad und der soll dann in Erfüllung gehen. Geld, Liebe, Macht, Gesundheit – was auch immer, die Mühle macht’s. Als Kind findest du das unglaublich faszinierend. Heute stelle ich mir in diesem Zusammenhang eigentlich nur die Frage warum nicht ich mal auf so eine geniale Idee kommen kann. Es gibt Leute die zahlen für sowas. Glück aus der Büchse. Instant Luck. Ein anderer Weg ist Magie. Egal ob Hohe Magie, Chaosmagie oder Küchenmagie, alle kennen sie Mittel und Wege um sich Glück zu verschaffen. Die Geldzauber sind dabei besonders beliebt. Die Frage ist nur – wenn das wirklich klappt, würde das nicht eine wahnsinnige Inflation auslösen, würde sich ja jeder Geld herbeizaubern. Wo käme das überhaupt her? Wären die Safes der Banken irgendwann leer? Diese Gier wird alle aus demselben Brunnen gespeist – unser Wunsch das Glück an uns zu binden, nicht mehr der Willkür dieser Welt ausgeleifert zu sein. Was glaubt ihr wohl warum sie in ihren Kreisen stehen, die Göttin oder die Wächter der Türme anrufen? Ich war selbst praktizierender Wicca und weiß wie verlockend der Gedanke ist.
Jetzt kommt’s aber. Wenn wir uns die Natur anschauen, nur für einen Augenblick lang, so wie sie ist, dann werden wir feststellen, dass für sowas wie ein „stoffliches“ Glück gar kein Platz bleibt. Auch für Wunder nicht. Die Natur verfolgt im Prinzip nur einen Zweck: Die Erhaltung des Kreislaufs. Selbst die konkreten Mitspieler sind völlig egal, ob das jetzt Dinosaurier, Trilobiten oder Hamster sind macht für die Natur an sich keinen Unterschied, es muss nur irgendwie mit der nächsten Generation weitergehen. Dinge passieren eben weil sie passieren, Reiz – Reaktion, Ursache – Wirkung. Die Natur vergießt keine Träne wegen der überfahrenen Katze (ich schon, aber ich bin auch als Mensch ziemlich weit weg von der Natur), genauso wenig wie sie der Katze zulächelt, die gerade noch den Satz nach vorne geschafft hat. Das ist verdammt nochmal nicht fair. Aber das muss es auch nicht. Die Natur schert sich nicht um ein Konstrukt wie „Fairness“. Es wäre also völlig absurd anzunehmen, dass irgendein Lebewesen, das an einem völlig willkürlich gewählten Punkt in Raum und Zeit existiert, in irgendeiner Weise begünstigt werden würde. Das widerspricht allem was wir über die Biologie, Chemie und Physik wissen. Auch das Schicksal fällt in diese Kategorie. Dinge passieren. Aber nicht weil sie müssen, von einer großgewachsenen griechischen Frau quasi gelenkt.
So sieht es für mich aus. Bin ich deshalb ein trostloser, kaltherziger Mensch der einer Oma ein Messer in den Rücken rammen würde um an ihre Geldbörse zu kommen? Einer jener von der religiösen Rechten so gefürchteten Neo-Darwinisten? Nein, absolut nicht. Ich würde mich eher vor jemandem fürchten der das nur aus dem Grund nicht macht, weil er Angst vor dem Karma/Gott oder was auch immer hat. Schon oft habe ich gesagt, dass ich mich als Humanist bezeichne. Meiner Meinung nach gibt es so etwas wie Glück nicht, die Natur begünstigt niemanden – dafür ist der Mensch selber zuständig. Es gibt bestimmte Dinge gegen die wir nicht viel tun können, Krankheiten zum Beispiel. Aber was das Leben an sich betrifft können wir sehr wohl eingreifen, ein bisschen eigenes Glück schaffen. Glückskinder sind jene Menschen die es schaffen selbst noch aus dem rostigen Nagel im Fuß etwas Positives zu machen, die jeden Morgen aufstehen und den blauen Himmel sehen, selbst wenn es regnet. Die gibt es natürlich in verschiedenen Abstufungen – die ganz extremen Fälle sind nervig ohne Ende aber irgendwo im Mittelbereich befinden sich da ein paar sehr angenehme Zeitgenossen. Da gibt es auch Einschränkungen – wie immer. Die erwähnten Krankheiten sind solche – ich warte seit Jahren vergeblich auf die erste halbwegs vernünftige Studie die nachweist, dass positives Denken den Verlauf einer Krankheit beeinflussen kann (wohlgemerkt – Depression beeinflusst jede Krankheit negativ, aber im umgekehrten Fall ist das noch völlig unbestätigt). Diese Glückskinder haben in der Regel nicht mehr Glück als andere Menschen, sie sehen die Welt aber anders und das ist meiner Meinung schon sehr viel wert. Ich kann im Geld schwimmen und die besten Freunde haben, wenn ich das nicht so sehen, von Gier nach mehr zerfressen bin, dann habe ich kein „Glück“, egal wie mein Leben objektiv aussieht. Ein Glückskind braucht wesentlich weniger um zufrieden und ihm wahrsten Sinne des Wortes „glücklich“ zu sein.
Wichtig ist auch anzumerken, dass nicht jeder glücklich sein kann. Klingt komisch ist aber so. Wer an eine Dysthymie oder gar Depressionen leidet kann kein Glück empfinden, nicht wenn er in einer Episode drin steckt. Dummerweise scheinen Glückskinder nicht in der Lage zu sein das zu verstehen. Ist ja auch klar, wer nicht an einer Krankheit leidet die das ganze Denken vernebelt, die Welt schwarz und schwer werden lässt, weiß nicht wie das ist – glücklicherweise eigentlich, denn der Zustand ist furchtbar. Kann man auch nicht erklären. Wie soll ich jemanden Nierenkoliken erklären, der noch nie welche hatte? Geht einfach nicht.
Sogenannte Glückskinder können ihre Umwelt relativ leicht beeinflussen. Die meisten Menschen wollen im Grunde ihres Herzens glücklich sein, sie wissen nur oft nicht wie. Hat man ein solches Glückskind um sich ist das wie ein frischer Windhauch in einem Zimmer voller abgestandener Luft – man versucht so nahe wie möglich ran zu kommen um das Gefühl zu genießen. Natürlich gibt es auch Neider die nichts lieber tun als die Fenster zu vernageln und dem Glück der anderen im Wege zu stehen aber so global gesehen überwiegen die positiven Reaktionen auf Menschen die sich im Glück wähnen und das auch nach außen tragen durch ein Lächeln und eine positive Einstellung. Wohl gemerkt, die Einstellung an sich verändert gar nichts (nicht im Sinne einer magischen Verbiegung der Realität), sie sorgt nur dafür, dass man von Menschen anders wahrgenommen wird, in ihnen etwas weckt was sie auch möchten und was sie im Grunde lieben.
Gibt es verschiedene Arten von Glückskindern? Ja, natürlich.
Manche werden schon so geboren, ich nenn sie mal „native“ Glückskinder. Sie landen aus irgendwelchen Gründe in einem liebevollen zu Hause und wachsen damit quasi auf. Sie sind die naivsten von allen Glückskindern weil sie in der Regel gar nicht wissen wie es sich anfühlt wenn das Glück mal Urlaub macht. Früher oder später wird es aber mal passieren. Dann werden sie entweder zu realistischen Glückskindern oder Zynikern. Ein Zyniker ist meistens einer der das Glück kannte und den es dann verließ – wer beide Seiten gesehen hat bringt die schärfsten Kommentare. Mit Zynikern ein ernsthaftes Gespräch über Glück zu führen ist ganz schwer weil sie innerlich oft zerrissen sind, einerseits wollen sie an das Gute glauben, andererseits können sie es aber nicht. Immerhin sind sie meist Produzenten ziemlich guter Zitate.
Die zweite Gruppe sind die „verleugnungs“-Glückskinder.  Meistens solche die bewusst entschieden haben die Augen vor der Realität zu verschließen. Also die finde ich persönlich am Schlimmste weil sie der Meinung sind, dass im Prinzip alles „gut“ ist und wer das nicht sehen kann mit dem stimmt was nicht. Sie rennen meistens predigend durch die Gegend und wollen dir klar machen, dass du mit dem jammern aufhören musst, dann wird es wieder.  Einer von denen hat mir mal erzählt, dass man nur genug daran glauben müsste, dann würde jeder vom Krebs geheilt werden. Irgendwie widerlich diese – weil sie vielfach bei anderen Menschen mehr Schaden anrichten als sie Gutes tun. Mit denen kann man auch nicht vernünftig reden weil sie kein anderes Argument gelten lassen. Da könnte ich blutend am Boden liegen und die würden mir immer noch erzählen wie schön das Leben doch ist und dass ich mal nicht so sein soll.
Die letzte Gruppe sind die gewachsenen Glückskinder. Die kommen meistens aus normalen Verhältnissen und hatte das übliche Verhältnis Glück vs. Pech, so im Bereich 50:50 wie die meisten von uns. Irgendwann haben sie angefangen was Positives auszustrahlen, sich über die kleinen Dinge zu freuen und die Summe vieler kleiner Dinge sind nun mal … ja genau, große Dinge. Die wissen meistens, dass das Leben nicht immer nur Limonade und gute Musik ist sondern, dass einem der Wind manchmal ziemlich ins Gesicht wehen kann, dennoch schaffen sie es, auf subtile Weise, dich aufzubauen, immer die richtigen Worte zu finden. Sie sind sozusagen die Schleppschiffe die den gestrandeten Kahn wieder auf See bringen. Man fühlt sie bei diesen Menschen verstanden und aufgehoben. Das sind die wahren Glückskinder die es schaffen die Welt um sie herum zum Leuchten zu bringen. Und gute Gesprächspartner sind sie obendrein.

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