Samstag, 2. April 2011

Fake Empire oder Die Realitätsfehlfunktion

Ich muss zugeben ich habe ein gewisses Faible für die Realitätsfehlfunktion. Leider ist mir der Begriff nicht selber eingefallen sondern einem Schriftsteller der im literarischen Gegenstück zu Leonard Cohens berühmtem Tower of Song viele Hundert Stockwerke über mir weilt – Peter F. Hamilton. Aber ich greife vor, dieses Argument muss langsam aufgebaut werden.
Vor kurzem habe ich wieder mal „The National“ gehört, ich mag die Band, die Stimme des Sängers ist beruhigend und frisst sich irgendwie ins Gehirn rein, so tief und angenehm. Ich finde auch den Stil von denen gut, nicht so reißerisch und aufdringlich, fast so als würden sie ihren Platz in der Geschichte kennen und ganz unaufgeregt an alles rangehen. Gefällt mir. Würde ich auch gerne können.
Das spezielle Lied in dem Fall war „Fake Empire“ von ihrer Scheibe „Boxer“. Das Lied schafft es immer wieder bei mir dieses spezielle Gefühl auszulösen, dass ich wirklich in einer Art Halb-Schlaf durch ein Imperium aus Rauch und Schein wanke, immer eine Sekunde davor aufzuwachen aber doch nie in der Lage es wirklich zu tun.  Ein Kollege auf Twitter hat es so ausgedrückt: „Ich bin immer im Nebel!“ Fand ich gut, auch wenn er es wahrscheinlich anders gemeint hat.
Unter der Realitätsfehlfunktion verstehe ich genau dieses Gefühl, das plötzliche Erwachen in einem Moment gepaart mit dem unbeschreiblichen Wissen, dass etwas mit dieser Welt, der Realität und der Wahrnehmung wie wir sie kennen nicht stimmt und dem dringenden Bedürfnis eine tiefere Wahrheit zu Papier zu bringen die nur drei Gedankenwindungen entfernt ist, verborgen durch einen dünnen Schleier und ich weiß, hätte ich die Kraft könnte ich den Schleier heben und das Geheimnis, den Schatz, zurück in diese Welt nehmen. Und doch ist es nicht möglich und man muss sich die Frage stellen, ist die Welt die Illusion oder dieses Gefühl?
Das könnte ein Grund sein, weshalb in vielen meiner Geschichten eine solche Dualität besteht, zum einen die Realität, die immer ein bisschen grau und erschreckend erscheint und zum anderen dieser fantastische, aber nicht minder erschreckende Ort, an dem ein Fingerschnippen den Horizont entflammen lassen kann, an dem Gedanken Kontinente formen und rohe Schaffenskraft wie Sauerstoffmoleküle durch die Luft wirbeln. Diese Orte werden zugänglich durch Realitätsfehlfunktionen, Brüche in unsere Wahrnehmung die eine Konsensrealität (auch keine Erfindung von mir) nicht mehr möglich machen. Meistens sind die Helden in diesen Geschichten (auch wenn ich den Begriff „Held“ nicht mag) Außenseiter, Verlorene, Verrückte und Wahnsinnige, all jene die, wie ich mal geschrieben habe, aus welchen Gründen auch immer in der Lage sind sich vom sicheren Strand unserer Wirklichkeit zu entfernen, hinaus, dort wo die Haie warten. Manchmal frage ich mich, ob man noch weiter hinaus könnte, bis zu den Riffen. Was für Wunder müsste es da geben? Diese Menschen sind auch die einzigen die in der Lage sind die Konsensrealität zu durchbrechen, den Riss, die Fehlfunktion der Realität erst zu ermöglichen. So sind sie am Ende die Helden ihrer eigenen Geschichte, die ohne sie nie realisiert werden hätte können. So wird das Geschöpf zum Schöpfer, finde ich poetisch. Sie können das eben weil sie abseits stehen. Konsens kann es nur unter Geistern geben die gemeinsam schwingen, die Helden meiner Welten leben davon und leiden darunter, dass sie das genau nicht können. Schmerz und Leid sind dabei eine wichtige Komponente, sie hallten dabei an den Wänden entlang die von geringeren Menschen erschaffen wurden.
Ich würde sagen das hat etwas mit dem Bewusstseins Strom zu tun der uns alle vom Gestern ins Morgen trägt, ab einem gewissen Alter ist es sozial förderlich sich einfach darauf treiben zu lassen. Dieses „Fake Empire“ Gefühl halb hier und halb dort zu sein ist vielleicht eine Unterbrechung des Stroms, die Erkenntnis, dass es außerhalb dessen noch ein ganzes Meer gibt. Das verteufelte daran ist, dass man im Wasser nicht nur schwimmen sondern auch ertrinken kann. In vielen meiner Geschichten gibt es solche metaphorische Wasserleichen, Artefakte die an den Rand der Realität gespült werden, jeder davon ein Memento Mori, manchmal sind sie sogar die großen Widersacher, wie rachsüchtige Piratengeister die auf Schiffen aus Seemannsgarn die Weltmeere nach Opfern durchkämmen.
Wenn jemand mit den Gedanken was anfangen konnte lasst es mich wissen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen