Samstag, 2. April 2011

Was mir das Herz bricht oder "Freiheit"

Ich kenne Menschen die leben in ganz beschissenen Beziehungen, meistens sind das Frauen in meinem Bekanntenkreis. Von außen sehen die Beziehungen im Normalfall wirklich super aus, das perfekte Leben mit einem Freund der alles tut, gut aussieht und auch sonst als „guter Fang“ gilt. Aber wenn man einen genaueren Blick riskiert stellt man fest, dass diese Frauen alles andere als im Einklang mit sich selbst und ihrem Leben sind, sie kommen mir immer ein bisschen „sediert“ vor. Fragt man genauer nach stellt man fest, dass der Freund alle Entscheidungen trifft, sagt wann, wo mit wem gegessen wird, was man gemeinsam unternimmt bis hin mit welchem Programm die Diplomarbeit verfasst werden soll. Klingt jetzt trivial aber diese kleinen Dinge sind enorm wichtig. Mich verblüfft in diesen Beziehungen immer wieder, dass den Frauen oft auf den ersten Blick selbst nicht klar ist, was da nicht passt, sie leben meiner Erfahrungen ach in einen warmen, perfekt eingerichteten Raum mit schallisolierten Wänden und reden sich dort ein alles wäre gut und sie hätten ihr Leben unter Kontrolle.  Erst wenn man gezielt nachfragt kommt man nach und nach drauf wie unglücklich viele von ihnen wirklich mit der Situation sind. Der schlimmste Moment ist immer dann, wenn sie von selbst merken (man kann da absolut nichts machen, da können und müssen sie alleine draufkommen), dass sie völlig abhängig von dieser anderen Person sind, ihr eigenes Leben über Jahre völlig zurückgestellt haben in dem Glauben eine gute, gleichberechtigte Beziehung zu führen. Das bricht mir jedes Mal das Herz zu sehen den meistens sind es die wirklich guten, liebenswerten Menschen die in eine solche Abhängigkeitsbeziehung rein schlittern – ist auch nicht verwunderlich, die echt miesen Charaktere sind ja am andere Ende dieser Katastrophe zu finden.
Jetzt könnte man ja sagen, dass jeder der sich eine Abhängigkeit begibt selber schuld ist und im inneren doch irgendwie zufrieden sein muss mit der Situation. Meine Erfahrung ist diesbezüglich eine andere. Das ist meist ein schleichender Prozess  in dem immer mehr Entscheidungsfreiheit ganz selbstverständlich abgegeben wir – das läuft ein wenig wie mit dem Frosch im Wasser, erhitzt man es schnell springt er sofort heraus, der Kontrast ist zu hoch aber steigert man die Temperatur immer rein kleines bisschen, gerade so, dass es ihm nicht auffällt, haben wir am Ende einen gekochten Frosch.
Freiheit, das Wort habe ich in Zusammenhang mit Entscheidung verwendet. Ich halte Freiheit für einen ganz wesentlichen Aspekt des Menschseins. Wenn wir das Leben mal ganz genau betrachten, dann ist es wirklich nicht viel was wir wirklich haben, was unseres ist. Kleidung ist austauschbar, Status ist zugeschrieben, Geld kann gewonnen und verloren werden, selbst wenn man Zeit vergeudet hat besteht da immer noch die Möglichkeit aufzuholen. Wenn ich alle Geld verliere das ich habe bin ich immer noch ich, wird mir mein Titel aberkannt (ja, ich habe einen), dann ändert das nichts daran wer ich bin aber wenn man mir meine Freiheit nimmt, dann verliere ich mich selbst, werde zu dem was du willst das ich bin. Für mich gibt es keine schlimmere Vorstellung. Das war für mich immer schon so, was meine Eltern, Lehrer und später Professoren nicht selten an den Rand des Wahnsinns getrieben hat. Wenn mir jemand sagt, dass ich etwas tun oder gar auf eine bestimmte Art sehen soll, dann ist meine erste Reaktion Skepsis, ich frage mich, wie mich das verändert könnte/würde. Klingt das für euch jetzt komisch? Aber denkt einmal nach, jeden Tag erschaffen wir uns aktiv neu, legen die Weichen für die Person die wir morgen sein werden und es gibt doch nichts grauenhafteres als eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass du die Person, die du geworden bist nicht ausstehen kannst, verwässert von zu vielen Kompromissen, zerfressen von Reue und Bitterkeit über das was du im Namen anderer getan hast.  Mit jedem Kompromiss, jeder Entscheidung die man abgibt wird der nächste Schritt ein bisschen leichter. Eine meiner Bekannten ist aus diesem Zustand erst nach beinahe 15 Jahren aufgewacht und stellte fest, dass sie selber nicht mehr genau wusste wer sie war, ihre Freunde waren eigentlich seine Freunde, ihre Lieblingsfilme waren eigentlich seine … sowas bricht mir das Herz vor allem weil niemand ihr die 15 Jahre, die Möglichkeiten sich in eine für sie passende Richtung zu entwickelnd, zurückgeben kann. Für sie ist es fast als müsste sie wieder dort anfangen wo sie damals aufgehört hat.
Freiheit, das sind viele kleine Dinge (wie die Entscheidung meine Dissertation in Word und nicht in LaTeX zu schreiben wie mein Freund, der zufällig Meteorologe ist, von mir verlangt -> wie sehr der Verlust einer so unbedeutenden Freiheit schmerzt konnte ich in ihren Augen lesen als sie’s mir erzählt hat) die sich akkumulieren und gemeinsam einen stimmigen Charakter ergeben. Keine eigene Entscheidung kann so trivial sein, dass sie nicht Ausdruck einer fundamentalen Freiheit der Persönlichkeit werden kann.
Nur wer in Freiheit lebt hat die Möglichkeit sich zu entwickeln – und damit meine ich wirkliche geistige Freiheit. Ein Mensch kann sich immer noch entwickeln wenn sein Körper gefangen ist – Nelson Mandela war fast 30 Jahre physisch ein Gefangener aber seine Seele haben sie nie bekommen, im Gegenteil, meine Freundin auf der anderen Seite war körperlich frei, er hat sie nicht festgebunden, eingesperrt oder gar misshandelt, aber geistig war sie an ihn gebunden und abhängig.
Prüft doch selbst ab und zu wie frei ihr noch seid. Sagt einfach mal wieder „nein“, nur um zu schauen ob ihr es noch könnt, tut mal nicht was man von euch erwartet, reagiert einfach mal völlig unberechenbar – ein freier Mensch ist auch einer der einfach mal schreien kann wenn ihm danach ist, der die Wand anspringt einfach weil sie da ist und der auch mal einen Abend alleine im Dunkeln verbringt einfach weil er das seit seinen Kindertagen nicht mehr gemacht hat und es wieder Zeit war sowas zu tun.
Natürlich kann man von vielen Dingen ein psychischer gefangener sein – das muss nicht immer eine dysfunktionale Beziehung sein. Man kann ein Gefangener der Angst sein, aber auch der Liebe. Ein Gefangener seiner Komplexe oder ein Gefangener der Gier. Sie haben alle gemeinsam, dass sie aufhören sich weiterzuentwickeln. Sie wirken wie „in Watte gepackt“, schlurfen dahin, gezogen von diesem unsichtbaren Halsband.
Nur eines noch klar zu stellen: Ich sehe Freiheit nicht als Ausrede sich vor Verantwortung zu drücken, die Freiheit des Studenten sich zu besaufen statt auf die Prüfungen zu lernen. Freiheit ist für mich ein wesentlich größeres Konzept, sie beinhaltet sich FÜR etwas zu entscheiden, wer Freiheit als Ausrede missbraucht tut das immer um sich GEGEN etwas zu entscheiden. Meine Freundin hat sich letztendlich FÜR die Weiterführung ihres eigenen Lebens und nicht so sehr GEGEN die Beziehung entschieden. Dass er nicht mehr da war als seine brave Ja-Sagerin das nicht mehr sein wollte war eine Folge davon. Verantwortung kann große Freiheiten bringen – eine Familie zum Beispiel, für Kinder und einen Partner da sein – das kann mehr Freiheit bringen als es raubt – es bietet die Möglichkeit auf ganz anderen, geistigen Ebenen zu wachsen denn wie wir wissen – die geistige Freiheit, die Möglichkeit zu wachsen, mehr zu werden (Vater, Mutter, Partner/in, Geliebte/r) ist unendlich wertvoller als nur die körperliche Freiheit.
Was bedeutet euch Freiheit? Seht ihr das ähnlich wie ich? Seid ihr vielleicht auch ganz anderer Meinung? Ich würde gerne eure Meinungen hören!

1 Kommentar:

  1. ich glaube fast jede Person hatte schon so eine "Abhängigkeitsbeziehung". Die einen erwachen halt schneller, die anderen später.
    Andere wiederrum, streben nach der perfekten Beziehung. Wieder andere wollen einfach nur eine Beziehung haben um nicht allein zu sein.

    Freiheit bedeutet für mich, dass ich meine eigene Meinung haben und diese auch äußern darf. Klar müssen in manchen Fällen Kompromisse geschlossen werden, aber die Frage ist wie viel man dabei zu lässt.

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